Christopher Schwarz im Interview zu Nachhaltigkeit und Clubkultur
- Johanna Schmidt
- 12. Sept.
- 4 Min. Lesezeit
Christopher Schwarz ist Geschäftsführer 105 VIERTEL Kulturräume und hat den Grüner Jäger in den vergangenen Jahren auf Nachhaltigkeitskurs gebracht. Wir sprechnde mit ihm über seine Motivation, über Herausforderungen und darüber, was sich in Sachen Nachhaltigkeit in den letzten Jahren im Veranstaltungsbetrieb getan hat.

Der "Grüner Jäger" verbindet Clubkultur mit Nachhaltigkeit - eine ungewöhnliche Kombination. Wie kam es zu dieser Vision?


CS: Wir wollten zeigen: Feiern und Verantwortung schließen sich nicht aus. St. Pauli ist bunt und laut. Wir tragen diese Energie in ein Konzept, das Ressourcen schont, Klima schützt und gleichzeitig ein großartiges Erlebnis ermöglicht.

Was bedeutet für dich persönlich "grün feiern“?
CS: 
Grün feiern heißt für mich: bewusst genießen. Strom aus erneuerbaren Quellen, Mehrweg statt Einweg, aber auch Awareness im Club. Es geht nicht nur um die Ökobilanz, sondern auch um den respektvollen Umgang miteinander.


Der „Grüner Jäger“ ist Mitglied der Berliner Initiative "Zukunft Feiern". Wie kam es dazu?
CS: Wir wollten Teil einer Bewegung sein, die bundesweit Standards setzt. Unser Ziel ist es Wissen zu teilen, gemeinsam Lösungen zu entwickeln und dadurch die Szene zukunftsfähig machen. Den Anstoß dafür gab uns das Clubkombinat Hamburg.

Mit WEtell hat der „Grüner Jäger“ einen klimaneutralen Mobilfunkanbieter gewählt. Welche anderen "unsichtbaren" Nachhaltigkeitsmaßnahmen gibt es im Hintergrund?
 CS:
- Echten Ökostrom & energiesparende Technik
- Digitale Tools statt Papier
- Regionales Booking und Beschaffung
- COâ‚‚-Kompensationsmodell im Aufbau
Viele Maßnahmen sehen Gäste gar nicht, aber sie machen den Unterschied.

Welche Herausforderungen gibt es bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen in der Gastronomie und im Nachtleben?

CS: Die Branche lebt von knappen Margen. Nachhaltigkeit erfordert Investitionen und konsequentes Umdenken. Oftmals fehlen Zeit und Ressourcen für eine konsequente Umsetzung.

Wie schafft man es, wirtschaftliche Interessen mit ökologischen Zielen in Einklang zu bringen?

CS: Wir sehen Nachhaltigkeit nicht als Kostenfaktor, sondern als Geschäftsmodell. Firmen buchen uns bewusst, weil wir nachhaltige Events anbieten. Das ist ein Wettbewerbsvorteil. Außerdem bringen fast alle Maßnahmen auch einen wirtschaftlichen Mehrwert: Wenn ich zum Beispiel zur Müllvermeidung auf Trinkhalme verzichte, spart mir das konkretes Geld. Auch unsere langfristigen Verträge mit nachhaltigen Stromanbietern haben uns einen Kostenvorteil in den letzten Jahren beschert.

Wo stößt man an Grenzen - gibt es Bereiche, in denen der „Grüner Jäger“ nachhaltiger sein soll, aber noch nicht die passende Lösung gefunden wurde?

CS: Manchmal fehlt es an praktikablen Lösungen: Recycling im Nachtleben ist eine Herausforderung, genauso wie Anreise der Gäste oder Pfandflaschen für Weine und Spirituosen. Wir suchen weiter aber wir sind noch nicht am Ziel.

Wie nimmt man ein Team mit auf den Nachhaltigkeitsweg und welche Rolle spielt das Personal bei der Umsetzung?

CS: Unser Team ist der Schlüssel. Wir binden alle ein, von der Awareness-Schulung bis zu Workshops. Jede:r trägt Ideen bei, wie wir besser werden können.

Ist spürbar, dass sich die Erwartungen der Gäste in Richtung Nachhaltigkeit verändert haben?

CS: Ja, die Erwartungen sind gestiegen. Während Firmen aktiv nach nachhaltigen Angeboten fragen, setzen private Gäste Nachhaltigkeitsthemen wie z.B. „Mehrweg" als selbstverständlich voraus.

Gibt es einen Wandel in der (Hamburger) Club- und Gastronomieszene hin zu mehr Nachhaltigkeit?

CS: In Hamburg spürt man einen echten Kulturwandel: Festivals, Clubs, Bars alle befassen sich mit diesen Themen. Viele gehören bereits zu den Unterzeichner:innen der Initiative "Zukunft Feiern". Das schafft Austausch und motiviert.

Was würdest du anderen Betreibern raten, die ebenfalls nachhaltiger werden möchten?

Fangt klein an. Lieber eine Maßnahme konsequent umsetzen als zehn halbherzig. Sucht euch Quick-Wins, wie zum Beispiel den Wechsel zu Ökostrom. 

Welche Rolle sollten deiner Meinung nach Politik und Gesellschaft bei der Förderung nachhaltiger Gastronomie spielen?

CS: Wir brauchen klare Rahmenbedingungen: Förderungen wie der Future Fonds 2.0 helfen enorm. Ich wünsche mir auch konkrete Vorteile für Unternehmen die besonders viel Engagement zeigen. Aber auch die Gesellschaft ist gefragt: Gäste müssen bereit sein, Nachhaltigkeit mitzutragen und einzufordern. 

In fünf Jahren: Wo soll der „Grüner Jäger“ dann stehen in Sachen Nachhaltigkeit?

CS: Der Grüner Jäger soll ein Leuchtturm sein mit eigenem Kompensationsmodell, transparenten Klimazahlen und einem Blog, der Szene-Wissen teilt.

Was motiviert dich persönlich jeden Tag aufs Neue, den grünen Weg weiterzugehen?

CS: Ich glaube daran, dass Kultur mehr ist als Unterhaltung. Sie ist ein Kit unserer Gesellschaft, kann Brücken bauen und zeigen, wie Zukunft geht. Und das motiviert mich jeden Tag.

Gibt es ein Nachhaltigkeitsprojekt, auf das du besonders stolz bist?

CS: Es ist die Summe kleiner Einzelmaßnahmen, die einen großen Effekt erzielt. Mich erfreuen kleine günstige Maßnahmen, die aufs Jahr gesehen nicht nur Energie sparen, sondern dadurch auch konkretes Geld. Zum Beispiel die individuelle Programmierung der Warmwasseraufbereitung oder eine „intelligente“ Steuerung der Kühlgeräte. Besonders gespannt bin ich auf unser neues Kompensationsmodell für Events. Damit machen wir Klimaschutz buchbar und setzen ein Signal für die ganze Szene.

Welche Rolle spielt der Standort St. Pauli für Ihr Nachhaltigkeitskonzept?

CS: St. Pauli ist ein Brennglas: Hier wird jede Entwicklung sichtbar, ob sozial, kulturell oder ökologisch. Das Viertel ist geprägt von Toleranz und Miteinander. Nachhaltigkeit im Umgang mit Natur und Mensch findet hier besonders viel Anklang und hat einen inspirierenden Charakter für alle Viertel in der Stadt.

Wie misst man den Erfolg von Nachhaltigkeitsmaßnahmen?

CS: Neben messbaren CO₂-Einsparungen sind für mich auch die langfristigen Kosteneinsparungen relevant. Hinzu kommt Feedback von Gästen, Anzahl der Firmen, die ihre Events CO2 neutral gestalten wollen und die Reichweite unseres Nachhaltigkeitsblogs.
